PA 23.01.2024: Das EuGH-Urteil zu Gewalt an Frauen und Asyl ist ein Signal – auch für Österreich – die Istanbul-Konvention vollständig umzusetzen

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      Presseinformation

      Das EuGH-Urteil zu Gewalt an Frauen und Asyl ist ein Signal – auch für Österreich – die Istanbul-Konvention vollständig umzusetzen

      Wien, 23.1.2024. Das Urteil des EuGH lautet: Frauen aus Drittstatten, die häusliche Gewalt erleben, müssen Schutz in der EU erhalten können, das heißt, die Möglichkeit haben, als Flüchtlinge anerkannt zu werden oder zumindest subsidiären Schutz zu erhalten (16.1.2024).

      Grundvoraussetzung für den Schutz bzw. Gewährung von Asyl für Frauen, die von Gewalt betroffen sind, ist die Erfüllung der Voraussetzungen der EU-Richtlinie 2011/95. Allgemeine Fluchtgründe sind die Verfolgung aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Der EuGH befand jetzt, dass Frauen als „soziale Gruppe“ angesehen werden können. „Folglich kann ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden, wenn sie in ihrem Herkunftsland aufgrund ihres Geschlechts physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt und häuslicher Gewalt, ausgesetzt sind“, so der EuGH in seinem Urteil. Sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt, kann von Gewalt bedrohten Frauen subsidiärer Schutzstatus zuerkannt werden, insbesondere wenn sie Gefahr laufen, getötet zu werden oder Gewalt zu erfahren.

      Das EuGH-Urteil basiert auf dem Antrag einer türkischen Staatsangehörigen kurdischer Herkunft, die eingebracht hatte, von ihrer Familie zwangsverheiratet und von ihrem Ehemann geschlagen und bedroht worden zu sein. Sie fürchtete für den Fall ihrer Rückkehr in die Türkei um ihr Leben und stellte in Bulgarien einen Antrag auf internationalen Schutz.

      Dieses EuGH-Urteil ist vor allem für EU-Länder, die die Istanbul-Konvention nicht ratifiziert haben und für solche, die sie nur halbherzig umsetzen, von großer Bedeutung.

      Österreich hat die Istanbul-Konvention zwar 2014 ratifiziert und sich somit verpflichtet, jede einzelne Frau, die sich in Österreich aufhält, vor Gewalt zu schützen und zu unterstützen, ist aber dennoch säumig in der Einhaltung wichtiger Bereiche, wie bei Migration und dem Asylrecht. Hier hat Österreich Nachholbedarf und erfüllt den Schutz für gewaltbetroffene Frauen aus Drittstaaten bestenfalls halbherzig.

      Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs hebt die Relevanz und Rechtskraft der Vorgaben der Istanbul-Konvention hervor und stellt klar, dass das EU-Recht im Asylbereich im Licht der Istanbul-Konvention interpretiert werden muss.

      Nichteinhaltung der Istanbul-Konvention kann zukünftig auch für Österreich stärkere Konsequenzen haben.

      Aktuell sind die Konsequenzen einer Nicht-Umsetzung einzelner Standards der Istanbul-Konvention vergleichsweise milde: Die Folge ist eine negative Erwähnung im Evaluierungsbericht des ExpertInnen-Komitees, das die Einhaltung der Konvention überwacht (GREVIO), und eine entsprechende dringende Empfehlung and die Regierung, dies zu ändern. Die Regierung muss daraufhin über die Maßnahmen berichten, die sie zur Umsetzung der Empfehlung ergriffen hat.

      Nach der Ratifizierung der Istanbul-Konvention durch die EU zieht der EuGH nun die Konvention als Standard heran und interpretiert geltende EU-Asylregeln in ihrem Licht. Dies könnte bei Nicht-Umsetzung der Istanbul-Konvention also künftig auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen Österreich zur Folge haben1.

      Der Verein AÖF appelliert daher an die Österreichische Regierung,

      • die Istanbul-Konvention vollständig und auch die Vorgaben im Bereich Asyl und Migration im Lichte des EuGH-Urteils umzusetzen,
      • verpflichtende Schulungen der staatlichen Behörden (Justiz, Polizei und Amt für Kinder- und Jugendhilfe) und insbesondere der Asylbehörden zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, zu geschlechtsspezifischer Gewalt an Frauen und zum EuGH-Urteil einzuführen,
      • Anzeigen, Strafverfahren und Betretungsverbote mit den Asylverfahren zu verbinden bzw. Gewalt- und Opferschutzmaßnahmen mit Asyl- und Fremdenrecht zu koppeln, sodass Frauen, die Opfer von Gewalt werden, internationaler Schutz gewährleistet werden kann.

      1 In dem EuGH-Urteil heißt es vor allem, dass nach dem Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul am 1.10.2023 diese Richtlinie im Lichte der Istanbul-Konvention und im Einklang mit der Istanbul-Konvention ausgelegt werden sollte. Das Urteil bestätigt auch, dass nach dem Beitritt der EU zur Istanbul-Konvention das EU-Recht im Asylbereich mit der Istanbul-Konvention vereinbar sein muss.

       

      Kontakt:
      MMag.a Maja Markanović-Riedl
      Co-Geschäftsführung AÖF - Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser 
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      Tel: +43 1 544 08 20-22
      mobil: +43 (0) 660 614 24 12 
       
      Mag.a Eva Zenz
      Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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