Frauenhäuser appellieren an die VerfassungsrichterInnen:
Keine automatische gemeinsame Obsorge bei unehelichen Kindern.
Wien, 14. Juni 2012: In den nächsten drei Wochen beschäftigen sich die VerfassungsrichterInnen mit der Obsorge für uneheliche Kinder. „Das Ergebnis könnte die Aufhebung des bestehenden Gesetzes zur Folge haben“, befürchtet Mag.a Birgit Thaler-Haag, Obfrau des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser und Leiterin des Frauenhauses Salzburg. Hintergrund für diese Entwicklungen ist das EGMR-Urteil vom 3. Februar 2011, bei dem Österreich wegen Diskriminierung geklagt wurde, weil ein Vater, der das Sorgerecht für seinen unehelichen Sohn eingeklagt hatte, vom Europäischen Gerichtshof Recht bekommen hat.
Dieses Urteil bedeutet jedoch nicht, dass die bestehende Gesetzesregelung des § 166 ABGB verändert werden muss. „Vielmehr besagt es, dass FamilienrichterInnen das Kindeswohl und die Interessen des Kindes in jedem einzelnen Fall bei Obsorgeregelungen noch besser prüfen müssen“, betont Mag.a Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser.
Es ist allgemein bewiesen, dass die Präsenz eines Vaters positive Auswirkungen auf die Entwicklung seiner Kinder hat. Die positiven Auswirkungen sind jedoch abhängig vom Ausmaß der Präsenz und von der Qualität der Beziehung, die er zu den Kindern und zur Mutter der Kinder hat. Gemeinsame Obsorge hat auf diese Qualität keinen Einfluss. Sie wirkt sich jedoch bei schlechten Beziehungen, strittigen Trennungen und Gewaltbeziehungen negativ aus. „Eine ‚automatische gemeinsame Obsorge‘ ist daher in jedem Fall abzulehnen – insbesondere auch bei unehelichen Kindern“, so Birgit Thaler-Haag.
Frauenhäuser weisen darauf hin, dass es für unverheiratete Paare seit Jahren die Möglichkeit gibt, die gemeinsame Obsorge zu vereinbaren. Die Erfahrungen aus der Praxis wie auch Studien zeigen, dass davon bereits sehr häufig Gebrauch gemacht wird. Eine gemeinsame Obsorge sowohl für eheliche als auch für uneheliche Kinder kann und darf daher nicht zwingend gesetzlich verordnet werden.
Eine Gesetzesänderung, die dies vorsieht, hätte fatale Folgen für Kinder und deren Mütter, vor allem dann, wenn sich der Kindesvater nie oder fast nie um das Kind bzw. die Kinder sorgt oder gesorgt hat, es keine gute Beziehung zur Mutter gibt und/oder der Vater jahrelang abwesend war. Oder auch dann, wenn es bereits einen „neuen“ Vater im Leben der Kinder gibt, der sich um das Kind bzw. die Kinder kümmert.
Vor allem ein gewalttätiger Vater und Partner disqualifiziert sich für eine gemeinsame Obsorge. In vielen Fällen kämpfen Väter nur deswegen um ihre Rechte, um Macht und Kontrolle gegenüber den Müttern auszuüben, zeigen die Erfahrungen der Frauenhausmitarbeiterinnen.
„Im Mittelpunkt darf daher nicht die Stärkung der Rechte der biologischen Väter stehen, sondern das Wohl der Kinder“, so Maria Rösslhumer.
Frauenhäuser fordern daher die VerfassungsrichterInnen auf, diese Realitäten bei ihren Entscheidungen mit zu berücksichtigen und das Wohl des Kindes dabei nicht aus den Augen zu verlieren.
Rückfragehinweis:
Mag.a Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins AÖF,
E:
Mag.a Birgit Thaler-Haag, Leiterin des Frauenhauses Salzburg,
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