PA 12.10.2012 Frauenhäuser befürchten Belastungen durch neues Kindschaftsänderungsgesetz

      Neues Kindschaftsänderungsgesetz: Frauenhäuser befürchten massive Belastungen auf Frauen und ihre Kinder zukommen

      Wien, 12.10.2012: Frauenhäuser haben sich immer vehement gegen eine gesetzliche Anordnung einer gemeinsamen Obsorge bei strittigen Trennungen ausgesprochen. Wir bedauern sehr, dass diese Warnung nicht ernst genommen wurde, so Rösslhumer. Denn gewalttätige Beziehungen können nicht durch ein Gericht harmonisiert werden! Frauenhäuser befürchten vor allem massive Belastungen auf Frauen und ihre Kinder zukommen, denn die geplante Gesetzesänderung schwächt die Position von ledigen Müttern, wenn gewalttätige Väter das alleinige oder gemeinsame Sorgerecht beantragen.

      „Viele betroffene Frauen sind jetzt sehr verängstigt, dass sie nach dem neuen Gesetz mit massiven Forderungen des Kindesvaters, mit dem sie vielleicht gar nicht zusammenleben, konfrontiert werden und womöglich die Obsorge für ihre Kinder sogar verlieren, eine Drohung, die von gewalttätigen Männern häufig ausgesprochen wird“, weiß Maria Rösslhumer zu berichten.

      Positiv zu erwähnen ist jedoch, dass im neuen Gesetzesentwurf erstmals eine klare Definition zum Kindeswohl gelungen ist. Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF), begrüßt es „dass das Kindeswohl erstmals klar definiert und sowohl die direkte wie auch die indirekt erlebte Gewalt bei der Definition des Kindeswohls mitberücksichtigt werden soll“.

      Vollkommen offen bleibt jedoch, welche Beweise bei Gericht für den Nachweis von Gewalt herangezogen werden und wie die Betroffenheit von Gewalt erkannt werden kann.

      In diesem Zusammenhang kritisieren die autonomen Frauenhäuser, dass nach wie vor keine Schulungen von im Obsorgeverfahren Beteiligten zu Gewalt vorgesehen sind. „Unseren Erfahrungen nach gibt es große Defizite in Bezug auf Information und Sensibilisierung von RichterInnen und GutachterInnen zu  Gewalt“. Fehlendes Wissen über Gewaltdynamiken hat gravierende Auswirkungen auf die Entscheidungen  im Verfahren und damit auf das Leben von gewaltbetroffenen Frauen und ihrer Kinder. „Es ist unverständlich, warum im neuen Entwurf keine verpflichtenden Schulungen zum Thema „ Häusliche Gewalt“ vorgesehen sind“, bedauert Birgit Thaler-Haag, Obfrau des Vereins AÖF und Geschäftsführerin des Frauenhauses Salzburg.

      Frauenhäuser fordern daher dringend, dass alle Berufsgruppen wie RichterInnen, GutachterInnen, PädagogInnen, PsychologInnen und SozialarbeiterInnen, die gemäß den neuen Bestimmungen des Familienrechts am Obsorgeverfahren beteiligt sein sollen, zum Thema Gewalt an Frauen und Kindern geschult werden.

      Frauenhäuser sehen darüber hinaus die „Phase der elterlichen Verantwortung“ von sechs Monaten bei strittigen Scheidungen und Trennungen als sehr problematisch an. Bei Gewaltbeziehungen ist auch nach der Trennung das vorrangige Ziel der Schutz vor dem Gewalttäter. So eine Phase, die unmittelbar an die Trennung anschließt und in der es zu keiner Prüfung der bisherigen Obsorgeregelung kommt, wird die Gewalt prolongieren. Die FamilienrichterInnen sind bereits jetzt massiv überlastet,  daher werden die Obsorgeverfahren zukünftig noch länger dauern. Da jeder Fall einzeln genau geprüft werden muss, wird sich die Zeit der Konflikte und der unklaren Rahmenbedingungen verlängern, dies bedeutet  eine extrem belastende Situation für die Kinder.

      Birgit Thaler-Haag erkennt noch eine weitere Lücke im Entwurf: „Inwieweit wird in dieser Phase die Verantwortung und Betreuung der Kinder vor der Trennung mitberücksichtigt? Das bleibt  im aktuellen Entwurf unklar.“ Erfahrungen der Frauenhäuser zeigen, dass von Gewalt betroffene Frauen vor der Trennung oftmals alleine für ihre Kinder sorgen und diese schützen. Dass diese vorher geleistete Betreuungs- und Erziehungsarbeit keine stärkere Berücksichtigung findet bei der Entscheidung, bei welchem Elternteil die Kinder in diesen sechs Monaten leben sollen, ist unverständlich  und entspricht nicht dem Kindeswohl.

      Um das zu vermeiden, ist es grundlegend, dass alle an Obsorgeverfahren Beteiligte das notwendige Wissen über die Auswirkungen von Gewalt in der Familie sowohl auf Frauen als auch auf Kinder haben. Ein gewalttätiger Partner und Vater hat vor allem im Sinne des Schutzes des Kindeswohls seinen Anspruch auf das Sorgerecht verwirkt. Das muss in den neuen Regelungen des Familienrechts garantiert sein.

       

      Rückfragehinweis:
      Mag.a Birgit Thaler-Haag: T: 0664 860 547
      E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

      Mag.a Maria Rösshumer:T: 0664 793 078 89
      E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

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