Armut erschwert Frauen sich aus Gewaltbeziehung zu befreien
Für immer mehr Frauen, die von Gewalt betroffen sind, wird das Ungleichgewicht zwischen hohen Mietpreisen und geringem Einkommen zum Hindernis in ihrem Weg aus der Gewalt. Vor allem für Alleinerzieherinnen und Migrantinnen ist die Situation am Arbeits- und Wohnungsmarkt denkbar schlecht. Sie zählen zu den besonders armutsgefährdeten Gruppen. In den letzten Jahren beobachten die österreichischen Frauenhäuser einen markanten Anstieg.
Wohin nach dem Frauenhaus?
„Wohin nach dem Frauenhaus?“ ist eine Frage, die für Frauenhäuser und ihre Bewohnerinnen immer schwieriger zu beantworten wird. Wenig Geld und der Mangel an leistbarem Wohnraum erschweren den Frauen, für sich und ihre Kinder ein sicheres Zuhause schaffen zu können. Private Mietwohnungen sind bei geringem Einkommen kaum zu bezahlen, schon das Aufbringen von Kaution und Provision ist für viele nicht zu schaffen. Geförderte Wohnungen haben oftmals eine lange Wartezeit oder die verlangten Eigenleistungen sind zu hoch.
Die Frauenhäuser leisten tagtäglich Gewaltprävention, aber auch Armutsprävention. Sie unterstützen ihre Bewohnerinnen umfassend während des Aufenthaltes, insbesondere bei der Wohnungs- und Arbeitssuche. Im Vordergrund steht dabei vor allem die Sicherheit. Nicht immer kann ein leistbarer Wohnraum gefunden werden, dann wird nach Alternativen gesucht, beispielsweise ein Wohnplatz in einer anderen Einrichtung oder die Möglichkeit, bei Verwandten oder Bekannten vorübergehend wohnen zu können. Einige Frauen kehren aber auch wieder zum Gewalttäter zurück. Die ökonomische Abhängigkeit vom Gewalttäter ist oftmals ein Faktor für die Rückkehr.
Fehlende und unzureichende Sozialleistungen: Kinderbetreuungsplätze, Mindestsicherung und Mindestpension
Ökonomische Abhängigkeit vom Gewalttäter aufgrund von geringem Einkommen trifft berufstätige ebenso wie nichtberufstätige Frauen.
Die Kombination aus unzureichenden Kinderbetreuungsangeboten und prekären Beschäftigungsverhältnissen, die durch niedrige Löhne, fehlende Absicherung durch Sozialversicherung, geringe arbeitsrechtliche Schutzrechte und Mangel an Dauer und Kontinuität gekennzeichnet sind, drängt auch berufstätige Frauen in die Armut. Am österreichischen Arbeitsmarkt ist das Phänomen „Working Poor“ längst angekommen, womit Armutsgefährdung trotz Erwerbstätigkeit gemeint ist. Alleinerzieherinnen und Migrantinnen sind stark davon betroffen– für sie ist der Zugang zum Arbeitsmarkt und vor allem zu existenzsichernden Löhnen besonders schwer.
Ein Missstand zeigt sich auch bei der Berechnung des Anspruchs auf Sozialleistungen wie der Mindestsicherung: Oftmals wird das Partnereinkommen berücksichtigt – obwohl die Antragstellerin vor ihrem gewalttätigen Partner ins Frauenhaus fliehen musste und es somit kein gemeinsames Haushaltseinkommen mehr gibt.
Ältere Frauen, die sich aus einer Gewaltbeziehung befreien wollen, haben es besonders schwer. Viele waren aufgrund so genannter Care-Arbeit, wie das Großziehen von Kindern oder die Pflege älterer Familienangehöriger, nicht (lange) am bezahlten Arbeitsmarkt tätig. Sie haben nur Anspruch auf die Mindestpension, die in der Höhe von 872,31 Euro im Monat keinen hohen Lebensstandard verspricht.
Auch Migrantinnen, die von Gewalt betroffen sind, und vor allem Nicht-EU-Bürgerinnen sehen sich mit besonderen Hürden konfrontiert. Sie haben in manchen Bundesländern wie in Niederösterreich nur verminderten Anspruch auf Mindestsicherung. In anderen Bundesländern ist der Bezug der Mindestsicherung zwar möglich, kann aber ebenso wie ein Einkommen unter dem ASVG-Richtsatz zum Verlust der Niederlassungsbewilligung führen.
Dringend gefordert: Leistbarer Wohnraum und betreutes Wohnen sowie finanzielle Absicherung
Aus Sicht der Frauenhäuser sind daher sowohl der Bund als auch die Länder gefordert, diese Missstände aufzuheben. Leistbarer Wohnraum muss ebenso geschaffen werden wie Voraussetzungen für eine finanzielle Absicherung.
Die Frauenhäuser fordern einen Ausbau des so genannten Betreuten Wohnens in Übergangswohnungen (kurz: BEWO). Frauen und ihre Kinder können dabei nach ihrem Auszug aus dem Frauenhaus kostengünstig wohnen und werden weiter von den Frauenhausmitarbeiterinnen unterstützt. Darüber hinaus muss ein Kontingent an leistbaren Wohnungen, speziell zur Vergabe für Gewaltschutzeinrichtungen geschaffen werden.
Denn die tägliche Erfahrung der Frauenhäuser zeigt: Ökonomische Abhängigkeit ist ein Nährboden für jede Form von Gewalt. Sie drängt Frauen in eine Gewaltbeziehung zurück oder hindert sie gleich aus dem Weg raus.
„Was wir in den letzten Jahren verstärkt beobachten müssen, sind enorme Schwierigkeiten, die viele Frauen nach dem Frauenhausaufenthalt haben. Eine Wohnung zu finden, die sie bezahlen können, wird immer schwieriger“, berichtet Birgit Thaler-Haag, Geschäftsführerin des Salzburger Frauenhauses und Obfrau des Vereins AÖF.
„Bei den Tagungen der Frauenhäuser ist die Armutsgefährdung seit einiger Zeit ein ständig wiederkehrendes Thema. Frauenhäuser in allen Bundesländern machen die Erfahrung, dass sie von Gewalt betroffene Frauen hart trifft. Der Internationale Frauentag ist mit seiner Geschichte ein wichtiger Anlass, um Verbesserungen für Frauen einzufordern“, so Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins AÖF.
Rückfragehinweis:
Maria Rösslhumer und Silvia Samhaber, Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser
Telefon: +43 (1) 544 08 20
E-Mail:
Der Verein AÖF veranstaltet am 8. März 2015 in Kooperation mit der VHS Urania im Rahmen der Kampagne „GewaltFREI LEBEN“ einen interaktiven Themennachmittag zu Gewaltprävention für Kinder und Jugendliche. Am 12. März 2015 ist der Verein AÖF auch bei der Solidaritätskundgebung für Frauen in Krisengebieten im Parlament vertreten. Weitere Informationen zu den Veranstaltungen finden Sie unter www.aoef.at