In der Forschung zu Partnergewalt gegen Frauen bleiben ältere Frauen als spezifische Gruppe häufig ausgeblendet. Die qualitative Studie "Intimate Partner Violence against elderly Women" beleuchtet das Problem aus Sicht von Expertinnen und Experten und Betroffenen.

      Studie: Partnergewalt gegen ältere Frauen (Intimate Partner Violence against elderly Women)
      Länderbericht Österreich (Wien 2010), Projektleitung: Dr.in Birgitt Haller

      Zusammengefasst vom Verein AÖF

      Im Rahmen eines EU Daphne Projekts (IPVoW - Intimate Partner Violence against older Women) haben Birgitt Haller und Helga Amesberger die österreichische Situation im Bereich Partnergewalt gegen ältere Frauen untersucht. Vor dem Hintergrund einer mangelnden Datenlage wurden Interviews mit betroffenen Frauen, Expertinnen und Experten und Vertreterinnen und Vertreter von Institutionen, die potentiell mit dem Thema konfrontiert sein könnten, durchgeführt. Ziel des europäischen Forschungsprojekts, das in sechs verschiedenen Ländern (Österreich, Deutschland, Großbritannien, Polen, Portugal und Ungarn) durchgeführt wurde, war es, Partnergewalt gegen ältere Frauen sowohl mit einem alters- als auch mit einem geschlechtersensiblen Blick umfassend zu analysieren.

      Wie die Autorinnen feststellen, werden bei der Analyse von Gewalt gegen ältere Frauen häufig altersbedingte Faktoren wie Gebrechlichkeit in den Vordergrund gerückt, geschlechtsspezifische Ursachen bleiben vielfach unberücksichtigt. Die Auswertung der von ihnen geführten Interviews mit betroffenen Frauen in Österreich zeigt jedoch, dass zwar beide Aspekte von Relevanz sind, strukturelle Benachteiligungen von Frauen und eine damit einhergehende Machtungleichheit jedoch dominieren.

      Alle zehn interviewten Frauen, die Opfer von Partnergewalt wurden, suchten erst nach Jahrzehnten professionelle Hilfe. Auch die befragten Expertinnen und Experten sprachen davon, dass ältere Frauen weitaus seltener Hilfe suchen würden, wenn sie von Gewalt betroffen sind. Sechs der zehn betroffenen Frauen wandten sich dennoch aus eigenem Antrieb heraus an eine Opferschutzeinrichtung. Trotz des hohen Alters der Interviewpartnerinnen (das Durchschnittsalter betrug 72 Jahre) verwies keine von ihnen auf die eigene körperliche Schwäche, auch benötigten sie keine Hilfe zur Bewältigung des Alltags.

      Ausschlaggebende Gründe für den langen Verbleib in der gewalttätigen Beziehung waren vorwiegend die ökonomische Abhängigkeit, aber auch Werthaltungen betreffend Familie und Geschlechterrollen, sowie fehlende Perspektiven für den Lebensabend. Die fehlende oder nur sehr geringe Pension erschwerte die Beendigung der Gewaltbeziehung, gesellschaftliche Normen wirkten sich jedoch ebenso stark auf die Beziehung aus. Die Abhängigkeit der Frauen wurde zusätzlich durch ihr Alter und die lange Dauer der Beziehung verstärkt. Mit einer Ausnahme berichteten alle Frauen von einer Zunahme der Gewalt im Laufe der Beziehung, dieser Effekt wurde durch die Pensionierung des Partners zusätzlich verstärkt. Die Autorinnen kommen zu dem Schluss, dass Partnergewalt gegen ältere Frauen somit meist das Resultat jahrzehntelanger Gewalt ist, wobei sich die strukturelle Benachteiligung im Alter noch gravierender auswirkt.

      Wie die Studie zeigt, spielen Gesundheitseinrichtungen bezüglich des Umgangs mit häuslicher Gewalt eine zentrale Rolle: Die interviewten Frauen wandten sich häufig aufgrund von körperlichen Verletzungen und/oder psychischen Problemen an ihre Ärztinnen und Ärzte. Während sich manche von ihnen den Medizinerinnen und Medizinern anvertrauten, verschwiegen bzw. leugneten andere die Gewalt. Einigen Frauen wurden jahrzehntelang Psychopharmaka verschrieben, doch nur die wenigsten Ärztinnen und Ärzte setzten konkrete Maßnahmen in Form einer Anzeige oder der Vermittlung an eine Gewaltschutzeinrichtung. Die Autorinnen sprechen sich daher für eine umfassende Sensibilisierung und Schulung von Ärztinnen und Ärzten und Pflegepersonal aus.

      Auch eine enge Vernetzung mit Gewaltschutzeinrichtungen könne dabei helfen, Gewalt frühzeitig zu unterbinden. Hilfseinrichtungen für ältere Frauen und für Frauen, die von Gewalt betroffen sind, bestehen in Österreich häufig nebeneinander, es fehlt jedoch an entsprechenden kombinierten Einrichtungen. Um eine optimale Betreuung zu gewährleisten, bräuchten Unterstützungseinrichtungen für Frauen zudem dringend mehr zeitliche – und damit finanzielle – Ressourcen. Wichtig sei zusätzlich der Aufbau von Betreuungsnetzwerken mit Alten- und Pflegeeinrichtungen, sowie mobilen Betreuungsdiensten – gerade im ländlichen Raum ist die fehlende Mobilität von betroffenen Frauen ein zentrales Problem.

       

      Quelle:

      Partnergewalt gegen ältere Frauen (Intimate Partner Violence against elderly Women)
      Länderbericht Österreich (Wien 2010), Projektleitung: Dr.in Birgitt Haller


      Zusammenfassung der Studie
      als PDF: Link

      Die Studie kann hier heruntergeladen werden: Link

      Studie analysierte 100 Vergewaltigungsfälle - Verurteilungsquote in Österreich gesunken

      Studie: Seith, C; Lovett, L & Kelly, L: Unterschiedliche Systeme, ähnliche Resultate? Strafverfolgung von Vergewaltigung in elf europäischen Ländern, Länderbericht Österreich (2009)
      Zusammengefasst vom Verein AÖF

      Im Rahmen des EU Daphne Projekts „Different systems, similar outcomes? Tracking attrition in reported rape cases in eleven countries“ analysierten Wissenschafterinnen und Wissenschafter je 100 Vergewaltigungsfälle in elf europäischen Ländern (Belgien, Deutschland, England & Wales, Frankreich, Griechenland, Irland, Österreich, Portugal, Schottland, Schweden und Ungarn) im Detail. Zusätzlich wurden Zeitreihen nationaler Statistiken zur Meldung, Strafverfolgung und Verurteilung von Vergewaltigung für 33 Staaten für den Zeitraum von 2001 bis 2007 aktualisiert.

      Die Auswertung der nationalen Statistik zeigt, dass Österreich eine im EU-Vergleich unterdurchschnittliche Meldequote aufweist, die bei 8,5 auf 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner liegt. Im Gegensatz dazu gehört Österreich zu den Ländern in der EU mit der höchsten Strafverfolgungsquote - 80 Prozent der in den vergangenen fünf Jahren gemeldeten Fälle wurden der Strafverfolgung zugeführt. Diese Quote misst jedoch nicht – wie etwa in Deutschland – den Anteil der Anklageerhebung.
      Die durchschnittliche Verurteilungsquote ist in Österreich innerhalb von fünf Jahren von durchschnittlich 22 Prozent auf 17 Prozent (2006) gefallen. Damit hat sich Österreich dem Trend fallender Verurteilungsquoten angeschlossen. Kritische Momente in der justiziellen Erledigung von Vergewaltigungsfällen sind hier vor allem die Übergänge von der Ermittlungsphase zur Anklageerhebung und Verurteilung.

      Das österreichische Sample von 100 Vergewaltigungsakten, das in Wien gezogen wurde, enthielt überwiegend Fälle von Vergewaltigung, aber auch 13 Fälle von sexueller Nötigung. 10 Prozent der Übergriffe ereigneten sich im Kontext von Prostitution, was im europäischen Vergleich ein überdurchschnittlich hoher Anteil ist. Im Gegensatz zu weit verbreiteten Stereotypen lag die Quote der Falschanschuldigungen nur bei 4 Prozent und ist somit als marginal zu bezeichnen. In weniger als einem Drittel der Vergewaltigungsfälle (31) reichte die Staatsanwaltschaft Klage ein, 30 Fälle gingen an das Gericht.

      In vier von zehn Fällen waren der Strafverfolgung Grenzen gesetzt, da die verdächtige Person nicht identifiziert werden konnte. Da diese Quote im Ländervergleich hoch ausfällt, stellen die Autorinnen die Frage, ob der Grund dafür in der lokalen Täter-Opfer-Struktur liegt, ob das Sample verzerrt ist oder ob größere Anstrengungen zur Aufklärung unternommen werden könnten. Bei einem Drittel jener Verdächtigen, deren Identität bekannt war (43), lagen bereits Anklagen vor und die Mehrheit dieser Gruppe war bereits verurteilt worden – vier Personen aufgrund von Sexualdelikten.

      Vergleichsweise häufig wurden die Opfer zudem mit Waffen bedroht, in 4 von 10 Fällen wurde eine Verletzung der Frau dokumentiert. In den meisten Fällen erstattete das Opfer (79 Prozent) oder eine dem Opfer bekannte Person Anzeige (7 Prozent). Jede 10. Anzeige wurde von Professionellen erstattet, dieser Anteil ist im europäischen Vergleich hoch.

      Dass eine gerichtsmedizinische Untersuchung nur in 45 Prozent der Fälle und somit wesentlich seltener als in England, Schweden, Portugal und Irland angeordnet wurde, kann laut den Autorinnen nicht an den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten in Wien liegen, da zwischen 2002 und 2004 besondere Anstrengungen zur Verbesserung der Spurensicherung unternommen wurden.

      Bezüglich des Profils der Verdächtigen zeigt sich, dass die Gruppe der Fremdtäter am größten war (41 Prozent), gefolgt von der Gruppe der Bekannten (17 Prozent), Partner/Ex-Partner (16 Prozent) und Kurzbekanntschaften (14 Prozent). Somit ist der Anteil der Fremdtäter viel höher, als dies Prävalenzstudien nahelegen. Die Autorinnen schließen daraus, dass noch weitere Anstrengungen dringend nötig sind, um die Erstattung einer Anzeige wegen Vergewaltigung durch den Partner oder Ex-Partner zu erleichtern.


      Quelle:

      Seith, C; Lovett, L & Kelly, L: “Unterschiedliche Systeme, ähnliche Resultate? Strafverfolgung von Vergewaltigung in elf europäischen Ländern“, Länderbericht Österreich (2009)
      Im Rahmen des EU Daphne Projekts: “Different systems, similar outcomes? Tracking attrition in reported rape cases in eleven countries


      Zusammenfassung der Studie als PDF: Link

      Der Länderbericht kann unter dieser Adresse heruntergeladen werden: Link

      Strafverfolgung von Vergewaltigung in elf europäischen Ländern

      Innerhalb eines EU-Daphneprogramms wurde die Strafverfolgung bei Vergewaltigungsfällen in elf europäischen Ländern beleuchtet.


      Die Zusammenfassung des österreichischen Länderberichts können Sie hier downloaden: Zusammenfassung

      Den Abschlussbericht in Englisch können Sie hier downloaden: Final Research Report 

      Femizide und Mordversuche 2024

      Details siehe hier.

      Stand: 28.3.2024

      • 7

        Femizide

      • 16

        Mord- versuche / Schwere Gewalt

        Projekt-Partnerschaften

        Die Informationsstelle gegen Gewalt wird gefördert von