PA 25.03.2015 Sexuelle Belästigung und Gewalt an Frauen und Mädchen passieren täglich.

      Verein AÖF und Frauenhelpline unterstützen die Ausweitung des Sexualstrafrechts.


      Wien, 25. März 2015
      Am 16. März 2015  ist die Novelle zum Strafgesetzbuch in Begutachtung gegangen. In diesem Zusammenhang  unterstützen der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser, AÖF und die Frauenhelpline gegen Gewalt vor allem die geplante Umsetzung der langjährigen frauenpolitischen Forderungen im Bereich des Sexualstrafrechts, nämlich die Ausweitung des §218 StGB und die Neueinführung des §205a StGB, denn sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt passiert tagtäglich in verschiedenen Kontexten – und zwar überwiegend an Frauen und Mädchen.
      Nur Betroffene und spezifische Beratungsstellen können beurteilen, wie schwerwiegend die Auswirkungen von sexuellen Übergriffen sein können. Es erfüllt uns daher mit Sorge, wenn Juristen, denen diese Erfahrung und Erkenntnis offenbar fehlen, gegen die lange geforderte Ausweitung des Straftatbestandes der sexuellen Belästigung polemisieren, wie etwa im Presseartikel vom Freitag, 17. März 2015, ohne Opferhilfseinrichtungen Gehör zu schenken.

      Wie hoch das Ausmaß der Gewalt an Frauen und Mädchen allein in Österreich ist, hat uns die im Vorjahr präsentierte Studie der Europäischen Grundrechtsagentur bestätigt: Jede 5. Frau erlebt ab ihrem 15. Lebensjahr physische und/oder sexuelle Gewalt. Jede 3. Frau wird ab ihrem 15. Lebensjahr sexuell belästigt. Jede 7. Frau ist ab ihrem 15. Lebensjahr von Stalking betroffen. Es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer insbesondere bei sexueller Gewalt und sexueller Belästigung im privaten Bereich oder am Arbeitsplatz noch höher ist, denn viele Frauen scheuen sich, auch im Rahmen von Umfragen, darüber zu reden.
      Am ehesten wenden sich Opfer an anonyme Beratungseinrichtungen, wie etwa an den Helpchat www.haltdergewalt.at oder die Frauenhelpline gegen Gewalt 0800/222 555. Dort melden sich täglich durchschnittlich etwa 20 Frauen aus ganz Österreich mit unterschiedlichen Problemen und Gewalterlebnissen und berichten unter anderem auch über sexuelle Übergriffe. Die Schilderung von drei solchen Vorfällen möchten wir hier anonymisiert wiedergeben.

      Eine junge Frau berichtet, dass sie auf dem Weg zur Arbeit eine Rolltreppe hinauf fuhr, als sie plötzlich eine Hand unter ihrem Rock am inneren Oberschenkel spürte. Als sie sich abrupt umdrehte, schaute sie in die Augen eines wildfremden alten Mannes, der verlegen grinste.

      Eine junge Frau schildert, wie sie in einer Straßenbahn saß und ein Mann seinen Sitzplatz wechselte und sich direkt ihr gegenüber auf den freien Platz setzte. Er lächelte eigenartig, spreizte seine Beine weit auseinander, taxierte sie von oben bis unten und starrte auf ihre Brust. Sie fühlte sich bedrängt und wusste nicht, was sie tun sollte. Sie versuchte seinen Blicken auszuweichen, dann stand sie auf, stieg kurz aus und stieg aber bei der nächsten Tür wieder ein, weil sie unbedingt weiterfahren musste. Sie stand im Inneren der Straßenbahn, als sie plötzlich jemanden hinter sich spürte, der sich ganz eng an sie herandrückte, sodass sie den erigierten Penis spürte. Als sie sich umdrehte sah sie denselben Mann, der sie vorher bereits belästigt hatte.

      Eine andere Frau erzählte, dass sie sich schäme, über den Vorfall zu sprechen, aber sie wisse nicht, was sie tun solle; sie arbeite auf einer Pflegestation in einem Krankenhaus. Ein männlicher Arbeitskollege werde immer, wenn sie alleine im Aufzug oder in der Teeküche stünden, anzüglich und mache permanent dumme und eindeutig sexistische Witze. Sie habe ihn schon öfters gebeten, damit aufzuhören, weil sie das nicht hören wolle. Er habe aber nicht aufgehört, sie zu belästigen. Vor Kurzem seien sie wieder alleine in der Teeküche gewesen, als er sich plötzlich von hinten genähert und ihr fest auf beide Brüste gegriffen habe.

      Diese Liste könnte man endlos fortsetzen. Leider gibt es derzeit keine Möglichkeit, solche Belästiger zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sich die Übergriffe im privaten oder öffentlichen Raum außerhalb eines Arbeitsverhältnisses ereignen. Nur in diesen kommt nämlich das Gleichbehandlungsgesetz zur Anwendung, nach dem „sexuelle Belästigung“ geahndet werden kann. Aber auch am Arbeitsplatz werden Beschwerden wegen sexueller Belästigung – gerade in Zeiten einer angespannten Arbeitsmarktsituation – häufig vermieden, weil sie das Arbeitsklima belasten bzw. sogar zur Versetzung oder Kündigung des Opfers durch die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber führen können.

      Um den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung zu verbessern hat der Verein AÖF gemeinsam mit vielen anderen Fraueneinrichtungen die Kampagne „Ein Nein muss genügen!“ unterstützt und fordert  einerseits die Einführung des  § 205a StGB, der das Vornehmen des Beischlafs oder beischlafsähnlicher Handlungen ohne das Einverständnis der anderen Person unter Strafe stellt, auch wenn der Täter weder Gewalt noch gefährliche Drohungen einsetzt. Zum anderen setzt sich der Verein AÖF für eine Erweiterung des Straftatbestandes der sexuellen Belästigung ein, damit künftig körperliche Eingriffe in die sexuelle Integrität auch geahndet werden können, wenn zwar nicht die primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale das unmittelbare Ziel der Berührung sind, aber andere der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zurechenbare Körperpartien betroffen sind, wie beispielsweise die Oberschenkel oder das Gesäß. Diese Gesetzesänderungen sind nicht zuletzt deshalb geboten, weil sich die Regelung des Gleichbehandlungsgesetzes in puncto abschreckender Wirkung als unzureichend erwiesen hat, Österreich sich aber durch die Ratifikation der Istanbul-Konvention verpflichtet hat, wirksame Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung und Gewalt zu ergreifen.


      Rückfragehinweis:
      Mag.a Maria Rösslhumer
      Tel.: 0664 793 07 89
      E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

      Hilfe rund um die Uhr und anonym: Frauenhelpline gegen Gewalt 0800/222 555
      Onlineberatung: Helpchat www.haltdergewalt.at

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