Frauenhäuser begrüßen diesen wichtigen Meilenstein für den Schutz vor Gewalt an Frauen, aber es ist noch viel zu tun...
Am 1. August 2014 tritt das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, die so genannte Istanbul Konvention, in Kraft. Sie ist somit das wichtigste Rechtsinstrument gegen Gewalt an Frauen in Europa: Sie schafft verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt. Die Istanbul Konvention hat zum Ziel, Gewalt an Frauen zu beenden. Dafür sieht sie umfassende Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Betreuung und Hilfe, Rechtsschutz in zivil- und strafrechtlichen Verfahren vor. Sie beinhaltet 80 Artikel unterteilt in „Verhütung“, „Schutz“, „Strafverfolgung“ und „Ineinandergreifende politische Maßnahmen“.
Bei den Verhandlungen zur Istanbul Konvention konnte Österreich wertvolle Erfahrungen einbringen. Durch die Gewaltschutzgesetze (BV/WW), die flächendeckende Einrichtung von Frauenhäusern, Frauenberatungsstellen, die Interventionsstellen/Gewaltschutzzentren und die bundesweite Frauenhelpline 0800 / 222 555, die Einführung des Anti-Stalking Gesetzes, die Anerkennung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt als Gewaltmuster und nicht als Einzeltat im Paragraphen „Fortgesetzte Gewaltausübung“ und durch die Einführung der Prozessbegleitung und anderer Maßnahmen wurde Österreich Vorbild in Europa und international.
„Diese internationale Anerkennung, darf uns nicht dazu verleiten, uns auszuruhen, denn auch in Österreich gibt es noch viel zu tun“, so die Obfrau des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser und Leiterin des Salzburger Frauenhaus, Birgit Thaler-Haag.
Auch bei uns ist jede fünfte Frau ab dem 16. Lebensjahr von körperlicher oder sexueller Gewalt betroffen, so die Studie von FRA (Fundamental Rights Agency) und auch bei uns scheuen Frauen davor zurück, Schläge durch den Ehemann oder eine Vergewaltigung durch den Freund anzuzeigen. Morde und Mordversuche an Frauen und ihren Kindern können nicht durch Wegweisungen alleine verhindert werden.
Es braucht viele weitere effiziente Maßnahmen und vor allem ein konsequentes koordiniertes Handeln, um Gewalt an Frauen und Kinder zu stoppen. Leider machen die Frauenhäuser immer wieder die traurige Erfahrung, dass Täter oft kaum zur Verantwortung gezogen werden und Opfer nicht ausreichend geschützt werden. Meist liegt die Ursache darin, dass vor allem im Justizbereich mangelndes Wissen und wenig Sensibilität über häusliche Gewalt vorherrscht.
„Frauenhäuser fordern daher im Zusammenhang mit der Implementierung der Konvention verstärkt Bewusstseinsbildung und verpflichtende Fort- und Weiterbildung für RichterInnen, StaatsanwältInnen, GutachterInnen, DolmetscherInnen, FamiliengerichtshelferInnen und auch für SozialarbeiterInnen in der Kinder und Jugendhilfe“, so Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, AÖF.
Die Konvention betont auch den Schutz und die Unterstützung von Kindern, die Zeuginnen oder Zeugen von Gewalt wurden: Ihre Rechte und Bedürfnisse sind immer zu berücksichtigen und ihr Opferstatus gilt für alle Anwendungsbereiche der Konvention.
Auch hier sehen die Frauenhäuser großen Handlungs- und Verbesserungsbedarf insbesondere bei der gemeinsamen Obsorge bzw. bei der Umsetzung der Kinderrechte im neuen Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz, welches am 1. Februar 2013 in Kraft getreten ist. Frauenhäuser sind die einzig wirklichen Schutzeinrichtungen für gewaltbetroffene Kinder.
„Daher beobachten wir mit Sorge, dass trotz der neuen Obsorgeregelung in Fällen von häuslicher Gewalt, wo Kinder direkt betroffen sind, der gewaltbereite Elternteil nach der Scheidung die Obsorgerechte weiterhin behält und keine effektiven Maßnahmen zum Schutz der Kinder und zur Veränderung des gewalttätigen Verhaltens gesetzt werden", so Birgit Thaler-Haag.
Auch der Wunsch der Kinder, die den gewaltausübenden Vater nicht sehen wollen, wird von Gericht oft nicht berücksichtigt. Leider stehen die Elternrechte vor den Kinderrechten!
Österreich hat die Konvention bereits am 5. Juli 2013 ratifiziert. Nun gilt es, sie umzusetzen. „Wir hoffen sehr, dass die Regierung diese langjährige Forderung seitens der Frauenhäuser ernst nimmt und wichtige Impulse setzen wird“, so Maria Rösslhumer.
Die Konvention spricht von der Notwendigkeit einer umfassenden und koordinierten Politik zur Prävention von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt und verpflichtet die Staaten eine koordinierende Stelle zur Umsetzung der Maßnahmen der Konvention einzurichten und die dafür notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen. Es ist begrüßenswert, dass die Bundesministerin für Bildung und Frauen bereits eine Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) eingerichtet hat, um an einem Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen zu arbeiten.
Die Konvention mit Erläuterungen finden Sie auf der Website des Bundeskanzleramtes: Website BKA
sowie auf der Website des Vereins AÖF: Website AÖF
Rückfragehinweis:
Mag.a Maria Rösslhumer,
Mag.a Birgit Thaler-Haag,